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Berlin-Wahl erschüttert deutsche Politik

26. Juli, 2024

(Von Vanessa Lett)

Berlin – Die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin hat die deutsche Politik erschüttert. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) von Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der Hauptstadt ihr bisher schlechtestes Ergebnis eingefahren.

Bei der Wahl, die am Sonntag aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Jahr 2021 wiederholt werden musste, verlor die SPD ihren Status als stärkste politische Partei an die konservative Christlich Demokratische Union (CDU). Mit 28,2 Prozent der Stimmen für die CDU und nur 18,4 Prozent für die SPD droht den Sozialdemokraten nach mehr als zwanzig Jahren ein unrühmliches Ausscheiden aus der Berliner Landesregierung.

“Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert”, schrieb Friedrich Merz, Vorsitzender der größten Oppositionspartei im Bundestag, am Montag in den sozialen Medien.

Obwohl die Wahl beendet ist, gibt es weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der SPD und den Grünen um den zweiten Platz. Bei noch 450 zu zählenden Stimmen könnten die Sozialdemokraten ihren kleinen Vorsprung von 105 Stimmen verlieren.

SCHWACHE POLITIK

Die Ergebnisse spiegeln deutlich die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Landesregierung in Berlin wider. “Nur selten gab es für Regierungspolitik schlechtere Noten”, analysierte die Forschungsgruppe Wahlen, eine deutsche Vereinigung, die sich auf Wahlanalysen spezialisiert hat. Obwohl die Grünen die geringsten Verluste der drei Regierungsparteien hinnehmen mussten, wurde ihr Abschneiden als besonders schlecht bewertet.

Das Thema Enteignung, also die Beschlagnahmung von Privatgrundstücken von so genannten “Mega-Vermietern”, hat einen Keil zwischen die SPD und ihre Koalitionspartner Grüne und Linkspartei getrieben. Obwohl die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner bei einem Volksentscheid vor fast anderthalb Jahren für die Enteignung stimmte, wurden seitdem keine konkreten Schritte unternommen, da sich die Parteien nicht einigen konnten.

“Durch Enteignungen entstehen keine neuen Wohnungen”, sagte Bundeskanzler Scholz im Wahlkampf an die Adresse der Grünen und der Linken, die Enteignungen befürworten.

Wie viele andere Städte in Deutschland hat auch Berlin mit einer zunehmenden Wohnungsnot zu kämpfen, wobei die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der Energiekrise die staatlichen Baubemühungen behindern.

Obwohl die SPD die deutsche Hauptstadt seit 2001 regiert, hat Bürgermeisterin Franziska Giffey keine leichte Zeit im Amt hinter sich – Fehler und Unzulänglichkeiten häufen sich.

Die Wähler waren vor allem von den Fehlern irritiert, die am Sonntag zu einer Wiederholung der Wahl führten. Bei der ersten Wahl im September 2021 waren viele Wähler nicht in der Lage, ihre Stimme rechtzeitig abzugeben, während andere Stimmen aufgrund falscher Stimmzettel für ungültig erklärt wurden.

Zudem gab es damals lange Schlangen und Verzögerungen vor den Wahllokalen aufgrund anderer, zeitgleich stattfindender, Großveranstaltungen. Dazu gehörten die Bundestagswahl, der Berlin-Marathon und ein Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen.

Die damalige Wahl wurde schließlich für ungültig erklärt.

UNKLARE FOLGEN

Trotz des eindeutigen Wahlergebnisses vom Sonntag ist jedoch noch nicht klar, ob die CDU die nächste Landesregierung führen wird. Dies wäre nur in einem Bündnis mit der SPD und den Grünen möglich, die in der Hauptstadt traditionell eher links stehen und daher weniger Gemeinsamkeiten mit der konservativen CDU haben.

Für den CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner gebe es “keine Machtoption”, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken in der ARD. Esken sagte, Wegner habe einen “Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf betrieben”, was seine Chancen auf eine Regierungsbildung einschränke.

Da die derzeitige Berliner Regierung über eine größere Mehrheit verfügt als eine mögliche CDU-geführte Koalition, tendiert die SPD eher zu einer Fortsetzung der bisherigen Koalition als zu einem Bündnis mit der konservativen Partei. “Aber es wird natürlich auch sehr ernst genommen, dass wir hier einen Wahlsieger haben, der deutlich vor uns liegt”, sagte Giffey.

Die deutschen Medien bezeichneten die Wahl weithin als “Protestwahl” gegen das Linksbündnis.

Schon die beiden vorangegangenen Wahlen in der Hauptstadt hatten ein mögliches Ende der Ära der SPD eingeläutet, und Giffey konnte den Abwärtstrend nicht stoppen. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass ein deutsches Bundesland ohne die Beteiligung der stärksten politischen Kraft regiert wird.

Es bleibt nun abzuwarten, ob es der CDU gelingen wird, einen Koalitionspartner in Berlin zu gewinnen. Sollte dies der Fall sein, würde dies auch auf Bundesebene für weiteren Rückenwind sorgen. Von den letzten fünf Landtagswahlen in Deutschland wurden drei von der konservativen Partei gewonnen, die auch in bundesweiten Umfragen vorne liegt.

Während Europas größte Volkswirtschaft aufgrund der Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts unter einer hohen Inflation leidet, beginnt auch die Bundesregierung an Unterstützung zu verlieren. Laut der jüngsten Deutschlandtrend-Umfrage sind zwei von drei Deutschen unzufrieden mit Scholz’ Ampelkoalition aus SPD (rot), FDP (gelb) und Grünen.

dpa/xinhua