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Tradwives: Wie der Social-Media-Trend die rechte Ideologie stärkt

23. Juni, 2025

Von Karina Stuhlpfarrer – Sie kochen und backen, putzen und decken den Tisch für ihre Männer – und Millionen von Menschen sehen ihnen dabei zu. Tradwives – kurz für „traditionelle Ehefrauen“ – haben in den letzten Jahren die sozialen Medien im Sturm erobert. Ihre Botschaft ist klar: Nichts erfüllt eine Frau mehr, als eine Hausfrau zu sein, die sich ihrem Mann und ihren Kindern widmet. Die Tradwife-Bewegung präsentiert sich als nostalgischer Lebensstil und zelebriert das idealisierte Bild der Hausfrauenschaft der 1950er Jahre. Doch was passiert, wenn rechte Parteien beginnen, diesen Trend auszunutzen?

Vanilleduft liegt in der Luft. Eine junge Frau mit perfekt frisiertem Haar trägt ein pastellfarbenes Landhaus-Outfit und rührt in einer Rührschüssel. Die Küche ist makellos sauber. Im Hintergrund läuft leise Musik. Ihr Baby schläft, und ihr Mann – so erklärt sie später – kommt bald müde von der Arbeit zurück. Sie wird ihm ein warmes Essen servieren und ihn mit Freude verwöhnen.

Diese Szene stammt nicht aus einem Werbespot der 50er Jahre. Sie ist von Instagram. Millionen verfolgen Videos, Fotos und Kommentare wie diese. Die Frauen nennen sich selbst „Tradwives“ – traditionelle Ehefrauen. Auf TikTok, Instagram und YouTube sind sie ein wachsender Trend.

Die Rückkehr der perfekten Hausfrau

Backen, Putzen, Dekorieren, Kinder großziehen, Schminken – natürlich für ihre Ehemänner. Die Inhalte der Tradwives erinnern an eine Zeit, in der Selbstverwirklichung kaum ein Begriff war. Und genau das macht den Reiz aus. Sie präsentieren sich als glückliche Hausfrauen, die ihre Karriere freiwillig aufgegeben haben. Stattdessen leben sie für ihre Familien – und vor allem für ihre Männer.

In einer Welt, die von Unsicherheit, Leistungsdruck und Burnout geprägt ist, bieten ihre scheinbar friedlichen Routinen Trost: strukturiert, liebevoll, vorhersehbar. Doch unter der glatten Oberfläche dieser „heilen Welt“ verbirgt sich mehr als nur nostalgisches Flair. Die Bewegung hat ihre Wurzeln in der US-amerikanischen Alt-Right – einem Umfeld, in dem konservative Werte oft mit rechtsextremer Ideologie verschmelzen.

Tradwives zwischen Lippenstift und Weltanschauung

Nicht alle Tradwives verstehen sich als politisch. Manche, wie Influencerin Malischka, bezeichnen sich sogar als Feministinnen. Im Interview mit der Tagesschau sagt sie: „Ich bekomme überwältigend viel Unterstützung von Hausfrauen, die sagen: Endlich werden wir gesehen.“ Andere Bloggerinnen feiern ihre Rolle – etwa als Ehefrauen, die für ihre Männer „die Stellung halten“.

Doch die Grenze zwischen Lebensstil und Ideologie ist schmal. Judith Götz, Forscherin an der Universität Innsbruck , warnt:

„Tradwives transportieren rechtsextreme Ideologie in die breite Öffentlichkeit, ohne als politische Akteure wahrgenommen zu werden.“ Es gehe nicht nur um Kuchenrezepte, sagt sie – es gehe um eine ganz bestimmte Geschlechterordnung.

„Tradwives vertreten eine Weltanschauung, die auch von Rechtsextremisten sowie christlich-konservativen oder fundamentalistischen Kreisen geteilt wird. Deshalb ist es für rechtsextreme Akteure attraktiv, wenn Influencer diese Ideologie in den Mainstream bringen“, fügt Götz hinzu.

Die FPÖ und die Sehnsucht nach den 50er Jahren

Die Sehnsucht nach traditionellen Geschlechterrollen ist nicht nur ein Internetphänomen. Auch politisch erlebt sie ein Comeback. In Österreich etwa fordert die FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) einen „Stay-at-Home-Bonus“ für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen – ein Modell, das in Oberösterreich bereits seit 2004 gilt. Was auf den ersten Blick familienfreundlich erscheint, stellt für Frauen eine Falle dar: Er erschwert den Wiedereinstieg ins Berufsleben, belastet die Pension und festigt überholte Geschlechterrollen.

Parteien wie die FPÖ und die AfD propagieren das traditionelle Familienmodell als „Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft“. Frauen sollten sich um Haushalt und Kinder kümmern, während Männer das Geld verdienen. Da viele Tradwives genau dieses Modell verkörpern und propagieren – und damit Millionen erreichen –, sind sie zu effektiven Multiplikatoren dieser Ideen geworden.

Antifeminismus als Kernelement der extremen Rechten

Einer Studie von Ipsos zufolge glaubt mehr als ein Drittel der Millennials (Geborene zwischen 1980 und 2000), dass ein Mann, der zu Hause bei den Kindern bleibt, „kein richtiger Mann“ sei. Solche Ansichten bieten einen fruchtbaren Boden für antifeministische Propaganda – geschickt getarnt in ästhetischen Bildern von Apfelkuchen, perfekt gefalteter Wäsche und lächelnden Ehefrauen.

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung spielt Antifeminismus eine zentrale Rolle in der rechtsextremen Ideologie. Diese Ideologie stellt sich aktiv gegen feministische Positionen und basiert auf starren traditionellen Geschlechternormen: Männer werden als starke, kämpferische Ernährer dargestellt, Frauen hingegen als fürsorglich und unpolitisch. Das rechtsextreme Weltbild stellt Frauen grundsätzlich als Männern untergeordnet dar. Die meisten Tradwife-Videos vermitteln genau dieses Bild und zielen darauf ab, es einem jüngeren Publikum zu vermitteln.

Götz betont, dass Antifeminismus ein zentraler Bestandteil rechtsextremer Ideologie ist. Frauen werden als fürsorglich und unpolitisch dargestellt – das Gegenteil der emanzipierten Frau, die sich unabhängig behauptet. Die Tradwife-Bewegung spielt auf dieses Narrativ an und wird, oft ohne es explizit zu äußern, zum trojanischen Pferd im politischen Diskurs.

Wohlfühlbilder mit rechtsextremer Ideologie

Die Verbindung zwischen Tradwives und rechter Ideologie wird besonders deutlich im Fall von Lukreta, einem deutschen Frauennetzwerk. Offiziell setzen sie sich für „Frauenrechte“ ein – auf Instagram feiern sie den „Stolzmonat“ jedoch mit Frauen, die in deutsche Fahnen gehüllt sind. Es ist eine kalkulierte Gegenerzählung zum queeren Pride Month, die Hass gegen LGBTQ+-Personen schüren soll und von rechtskonservativen und -extremen Akteuren inszeniert wird. Lukreta verbindet wohlwollende Bilder mit rechtsextremer Ideologie – und unterhält direkte Verbindungen zur AfD.

Die Tradwife als Influencerin: Branding, Medien und Millionen

Während traditionelle Hausfrauen für ihre Arbeit keine Vergütung erhielten, verdienen manche Tradwives heute beachtliche Einnahmen. Manche haben ganze Unternehmen rund um ihre persönliche Marke aufgebaut. Ein Beispiel ist Ballerina Farm : Hannah Neeleman, Mutter von acht Kindern mit über 10,1 Millionen Followern, verkauft nicht nur einen Lebensstil – sie verkauft echte Produkte. Was wie eine spontane Szene am Herd aussieht, ist in Wirklichkeit kuratierter Inhalt – komplett mit Kamerateam, Marketingstrategie und Online-Shop.

Dies zeigt: Hinter dem vermeintlich einfachen Leben verbirgt sich ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell. Die Rolle der Hausfrau wird professionalisiert – und zugleich idealisiert.

Die dunkle Seite der Tradwife-Illusion

So harmonisch die Bilder auch erscheinen, das Leben einer Tradwife birgt ernsthafte Risiken. Emotionale und finanzielle Abhängigkeit von einem Ehemann kann gefährlich sein. Ohne eine selbstständige Tätigkeit hat eine Frau in Krisensituationen – insbesondere in toxischen oder missbräuchlichen Beziehungen – oft nur wenige Optionen.

„Wenn man finanziell von einem männlichen Ernährer abhängig ist und kein eigenes Einkommen hat, wird es deutlich schwieriger, aus einer missbräuchlichen Beziehung auszusteigen“, warnt Judith Götz, Expertin für Antifeminismus und Rechtsextremismus.

Gleichzeitig glorifizieren Tradwives unbezahlte Pflegearbeit in den sozialen Medien – ohne die emotionalen oder körperlichen Folgen zu zeigen. Das von ihnen präsentierte Bild von Weiblichkeit ist romantisiert und realitätsfern.

Letztlich ist die Tradwife-Bewegung mehr als ein flüchtiger Social-Media-Trend. Sie spiegelt eine tiefere kulturelle Sehnsucht nach Klarheit und Einfachheit wider – eine, die leicht zum Sprachrohr rechter Ideologien wird. Was mit einem liebevoll gedeckten Esstisch beginnt, kann schnell zur politischen Plattform werden. Und während Millionen von Likes gesammelt werden, kehren veraltete Geschlechterrollen still und leise in die Mitte der Gesellschaft zurück.

Quelle: Kontrast / Karina Stuhlpfarrer / Die Rechte am Inhalt verbleiben beim ursprünglichen Herausgeber.